Eduard von Schenk                 Maria mit der Leiche Jesu

                                                                            (Gemälde von Daniel de Volterra)

 

Zum letzten Mal will sie den Sohn umschließen

Mit mattgerung’nen Armen, daß die Leiche

Nicht ihrem mütterlichen Schooß entweiche,

In den sie ihn vom Kreuz herunterließen.

 

Auf seinem Mund noch läßt sie ruhn die bleiche

Verstummte Lippe, seufzend und mit Küssen,

Läßt in sein Blut die letzten Thränen fließen. –

Wo ist der Anblick, ach! der diesem gleiche?

 

Ihr laßt allein beim Todten sie verweilen,

Ihr, die ihn nie verlassen habt im Leben?

Auch du, dem er sie sterbend übergeben?

 

Und fern und nah ist keine von den Frauen,

Selbst kein mitweinend Engelbild zu schauen,

Denn wer vermöchte solchen Schmerz zu theilen?

 

 

 

 

 

 

Eduard von Schenk                 Die Palme

 

Stark ist als zarte Pflanze schon die Palme;

Um ihre jugendliche Kraft zu proben,

Ward einst der Marmorstein auf sie geschoben,

Und alle dachten, daß er sie zermalme.

 

Allmählich aber trieb der Stamm; es hoben

Sich schwellend unter jener Last die Halme;

Sie wuchs empor zur königlichen Palme

Und trug den Stein im Blätterturban oben. –

 

 

Dem Baume gleicht ein gotterfüllt Gemüthe,

Das schon beschwert wird in der Jugend Blüthe

Mit Weh und zu erliegen scheint dem Drucke.

 

Nur stärker wird es durch der Leiden Bürde,

Sein Glaube fester, höher seine Würde;

Zuletzt dient ihm des Kreuzes Last zum Schmucke.

 

 

 

Eduard von Schenk                    Die Aloe

1788 - 1841

Unscheinbar, dunkel steht und missgestaltet

Die Aloe; mag Licht und Wärme locken,

In ihr scheint jeder Lebenstrieb zu stocken,

Und wie zu Stein ihr Blätterschmuck erkaltet,

 

Bis sich ihr tiefstes Herz auf einmal spaltet,

Und erst des Gärtners, dann der Welt Frohlocken,

Ein Blütenbaum mit tausend Balsamglocken

Aus ihrem Schoße duftend sich entfaltet.

 

Des Menschen Seele gleicht der Wunderblume;

So lange sie sich selber will genügen,

Erfindet, sinnt und müht sie sich vergebens.

 

Doch kaum lässt sie in Demut sich besiegen

Vom Licht des Heils, so wird zum Heiligtume

Ihr Innerstes und trägt den Baum des Lebens.

 

 

 

 

Eduard von Schenk                    Zur Jubelfeier der fünfundzwanzigjährigen

1788 – 1841                                                   Regierung Sr. Majestät des Königs

                                                         Maximilian von Bayern

 

Eh das Jahrhundert schwand, das nun verflossen,

War Mißtrau’n nur und Willkür hier zu schauen,

Ein kinderloser Fürst und Bayerns Auen

Rings von des Krieges Fluthen übergossen.

 

Und jetzt! Das Volk nur Jubel und Vertrauen,

Durch ein Gesetz der Weisheit fest umschlossen;

Des Ruhmes Lorber’n seh’n wir neu entsprossen,

Des Friedens Oelbaum milden Segen thauen;

 

Ein väterlicher König auf dem Throne

Und eine Gattin, Mutter diesem Lande,

Der Frauen Königin, auch ohne Krone;

 

Und Söhn’ und Enkel, werth, daß sie die Seinen,

Und Töchter, die mit holdem Liebesbande

Die deutschen Völker in ein Volk vereinen.

 

 

 

Eduard von Schenk                    Die Poesie

1788 - 1841

Die bunten Schwingen auseinanderschlagend,

Schwebt Poesie zu sternbesä’ten Räumen;

In alle Höhen sich und Tiefen wagend

Darf sie im Schooß des ew’gen Vaters träumen.

 

Doch unter Menschen, scherzend oder klagend,

Spielt sie mit stolzen Rhythmen, zarten Reimen,

Der Morgenröthe gleich, mit Rosen tagend

Des Erdenlebens Wolken zu umsäumen.

 

Und wie Apoll sich zu der Erde Thalen

Herabließ, seiner Lichtgestalt entsagend,

Der muntern Heerde sorgenloser Hüter;

 

So löscht auch sie oft ihres Hauptes Strahlen

Und flüchtet, vor dem Blick der Menge zagend,

Sich in die stillen kindlichen Gemüther.

 

 

 

Eduard von Schenk                    Die sterbende Maria

1788 – 1841                                                   (ein altdeutsches Gemälde in der Gallerie zu Schleißheim)

 

Die Lust des Todes und die Qual des Lebens;

Hier Händeringen, Augen roth von Zähren,

Dort Blicke, die des Todes Nacht verklären;

Verzweiflung hier, dort keine Spur des Bebens;

 

Den höchsten Lohn demüth’gen Hinsichgebens,

Nach langen Leiden ew’ge Himmelsehren,

Nach Weinenden ein Kranz von Engelchören,

Von Zeugen triumphierenden Erhebens;

 

Die Frucht des Alters und der Jugend Blüthe,

Glaub’, Hoffnung, Liebe, Alles, was vergangen,

Die Kraft des Deutschen und des Welschen Milde;

 

Das Reinste, Heiligste, was im Gemüthe

Der frömmsten Maler jemals aufgegangen:

Das Alles sah ich hier in einem Bilde!

 

 

 

Eduard von Schenk                    An Correggio

1788 - 1841

Nicht unsre Lust mehr drücket die Gestalten,

Die anmuthsvoll auf deinen Bildern schweben;

Es ist die Luft, in deren leichtem Weben

Verklärte Geister ihren Reigen halten.

 

Und nicht von unserm Licht, dem trüben, kalten,

Empfingen diese Farben Gluth und Leben;

Im reinen Licht des Himmels nur erheben

Sich diese Glieder, wehen diese Falten.

 

Und Seligkeit, nicht irdisches Verlangen

Regt sich in diesem schönen Busen, strahlet

Aus diesen Augen, blüht auf diesen Wangen.

 

Du kamst zu uns aus Paradieses Auen,

Correggio! denn was du hier gemalet,

Das konntest du nur in den Himmeln schauen!

 

 

 

Eduard von Schenk                    Der Brand der Kirche des heiligen Grabes zu Jerusalem

1788 – 1841                                                   (am 12. Oktober 1808)

 

Das Grab des Welterlösers zu zerstören,

Warf Satan einen Brand in die Kapelle,

Die sich emporwölbt ob der heil’gen Stelle,

Und flammend sank die Kuppel mit den Chören.

 

Wildjauchzend triumphierte schon die Hölle;

Kein Loblied mehr, dem Ewigen zu Ehren,

Nur Klagelieder hofft sie hier zu hören;

Bis an die Gruft schon drang des Feuers Welle.

 

Da stiegen aus dem Grab, ernst und gelassen,

Die zeugend einst auf diesem Steine saßen,

Die Jünglinge mit leuchtenden Gewanden,

 

Und deckten es mit ihren weißen Schwingen

Und sprachen: Weiter dürfet ihr nicht dringen,

Unsel’ge Gluthen!  Und die Flammen schwanden.

 

 

 

Eduard von Schenk                    Bei dem Tode Pius VII

1788 - 1841

Als Pius, nach errungner Martyrkrone,

Die irdische vertauscht mit ew’ger Ehre;

Begrüßten freudig ihn des Himmels Heere

Und führten ihn bekränzt zu Gottes Throne.

 

Und als er vor dem Vater stand und Sohne,

Sprach Gott zu ihm: Du hast durch That und Lehre

Und Dulden mir gedient; darum gewähre

Ich jede deiner Bitten dir zum Lohne.

 

Und vor des Lichtes Thron’ sank Pius nieder,

Verhüllt’ sein Antlitz und erhob es wieder

Und sprach: Willst du, o Heer, das erste Bitten

 

Des letzten Deiner Knechte jetzt erfüllen,

O so vergib dem Mann, durch dessen Willen

Auf Erden ich so viel für Dich gelitten!

 

 

 

Eduard von Schenk                    Der Nibelungen Lied

1788 - 1841

Heil euch, ihr Sänger kühner Nibelungen!

Wie von Gottfried die Meeresbucht im Süden;

Rheinufer, töne du von Siegefrieden!

Solch Lied ist anderm Volke nie gelungen.

 

Euch war zum Lohn ein schönes Loos beschieden.

Ihr saht die Größe noch, die ihr besungen,

Ein Heldenvolk und Deutschland unbezwungen,

Da Muth und Andacht wandelten in Frieden.

 

Erständet ihr aus euern alten Särgen,

Ihr fändet andern Sinn und andre Zungen,

Statt eurer Recken ein Geschlecht von Zwergen,

 

Kein Schwert für Gott und Liebe mehr geschwungen,

Die Burgen weggetilgt von allen Bergen,

Den Glauben todt und euer Lied verklungen!

 

 

 

Eduard von Schenk                    Die Bildsäule des Jason

1788 – 1841                                                   (in der Glyptothek zu München)

 

Verborgen hielt in ihren Finsternissen

Die Erde dich vor wüthenden Vandalen;

Den Händen sey gedankt, die dich ihr stahlen!

Ihr ist der letzte, liebste Schatz entrissen.

 

Nun stehst du wieder in des Tages Strahlen

Und hörst von tausend Stimmen dich begrüßen,

Und senkst dein Haupt und lösest von den Füßen, -

Wer darf sie sonst dir lösen? – die Sandalen.

 

Bist du ein Bild des Lebens? Selber Leben?

Durch diese Glieder scheint das Bluth zu rinnen,

Die Heldenbrust, leis athmend, sich zu heben.

 

Medea’s Gräuel hören wir mit Beben;

Doch sie beging sie nur, dich zu gewinnen;

Bei deinem Anblick sind sie ihr vergeben!

 

 

 

Eduard von Schenk                    Auf dem Markusplatz in Venedig

1788 - 1841

Dieß ist Venedig, dieß die hehre Stätte,

Der Bucht des Meeres mühsam abgerungen;

Der Dom, aus dessen Kuppeln Dankgebete

Und Siegeshymnen glorreich einst erklungen;

 

Dieß ist der Thurm, von dem, mit Blut errungen,

Der Türken Mond oft als Trophäe wehte;

Dies der Palast, wo Padua, bezwungen,

Verona selbst um leichte Ketten flehte.

 

O Stadt! Neptun’s Trident ist dir entfallen,

Der Lorber schmückt bei dir nur noch die Todten.

Dein Stab Merkur’s hat aufgehört zu grünen.

 

Drei Reiche, denen du eh’dem geboten,

Bezeichnen stolz die Fahnen, die dort wallen,

Und fremden Reichen mußt du jetzo dienen!

 

 

 

Eduard von Schenk                    Der Morgen am Meer

1788 – 1841                                                   (Landschaft von Claude Lorrain in der Gallerie zu München)

 

Der junge Tag erhebt sich aus den Wellen;

Zu zart noch, feuchte Nebel zu durhdringen,

Sucht sich sein erster Strahl auf blauen Schwingen

Der Meeresfluth zum Ufer hinzuschwellen,

 

Wo munter schon des Lebens Stimmen klingen,

Wo Schiffer froh ihr Tagewerk bestellen,

Indessen andre, ferne schon, mit hellen,

Geblähten Segeln hohe See erringen.

 

Licht! wie belebt, verklärst du alle Wesen!

Die Pinie mitihren dunklen Zweigen

Wird klar und leuchtend, wie des Meeres Wogen.

 

Der Marmor selbst an jener Pforte Bogen,

Deß Säulen ragend in die Lüfte steigen,

Scheint sich in leisen Morgenduft zu lösen.

 

 

 

Eduard von Schenk                    Auf einen Philosophen

1788 - 1841

Ein Pilger macht sich auf beim ersten Glühen

Des Tags, zum Sonnentempel zu gelangen;

Er sieht ihn fern auf hohem Gipfel prangen

Und hört von dorther leise Harmonieen.

 

Er eilt hinaus mit brünstigem Verlangen;

Da sieht er Volk vor eitlen Götzen knieen

Und sucht umsonst mit sich es fortzuziehen;

Für Rath und Warnung muß er Spott empfangen.

 

Unmuthig wallt er fort; doch bald verdrängen

Den Weg ihm Trümmer, Dornen; zum Genusse

Verborgener Quellen laden süße Stimmen.

 

Vom Kampf ermüdet, trunken von den Klängen

Sieht er den Tempel nicht mehr, sinkt am Fuße

Des Bergs in Schlummer, statt empor zu klimmen!

 

 

 

Eduard von Schenk                    Echo

1788 - 1841

Getäuscht durch Liebe, nein! durch Liebeswähnen,

Entfloh ich Nymphe blumenvollen Triften;

In dunklen Grotten, wilden Bergesschlüften

Verschloß ich einsam mich und meine Thränen.

 

Doch hin zur Flur und ihren süßen Düften

Ergreift mich noch ein unnennbares Sehnen,

So oft mit holden, wohlbekannten Tönen

Ein Rufen sich verirrt zu meinen Klüften.

 

Ich schwebe rasch, mit innigem Verlangen,

Hinunter dann aus meinem Felsenhause,

Mit frohem Hall die Worte wiedergebend;

 

Bald aber scheucht ein ungeheures Bangen

Und meiner Qual Erinn’rung, mich durchbebend,

Zurück mich wieder in die stille Klause!

 

 

 

Eduard von Schenk                    An J. B. Neubig

1788 – 1841                                                   Den Übersetzer Jakob Balde’s

 

Es lebt’ ein Priester einst im Dichterwalde,

Der in des Glaubenskrieges wildem Toben

Für Bayerns Heer des Geistes Schwert erhoben

Und seine Schlachten sang als frommer Skalde.

 

Auch klang von Scherz bald und von Weisheit balde

Sein reines Lied, bald tönt es wie von oben,

Um Gott und seine Heiligen zu loben.

Bald David, bald Horaz ist Jakob Balde.

 

An Sinnund Geist deutsch, schienen nur die Töne

Nicht heimisch auf dem heimathlichen Boden.

Die Sprache Rom’s durchathmet seine Leier.

 

Verjüngend leih’st, o Neubig, du das schöne

Gewand der Muttersprache seinen Oden,

Und so wird er ein Deutscher ganz, ein Bayer!