(Gemälde
von Daniel de Volterra)
Zum letzten Mal will sie den
Sohn umschließen
Mit mattgerung’nen Armen, daß
die Leiche
Nicht ihrem mütterlichen Schooß
entweiche,
In den sie ihn vom Kreuz
herunterließen.
Auf seinem Mund noch läßt sie
ruhn die bleiche
Verstummte Lippe, seufzend und
mit Küssen,
Läßt in sein Blut die letzten
Thränen fließen. –
Wo ist der Anblick, ach! der
diesem gleiche?
Ihr laßt allein beim Todten sie
verweilen,
Ihr, die ihn nie verlassen habt
im Leben?
Auch du, dem er sie sterbend
übergeben?
Und fern und nah ist keine von
den Frauen,
Selbst kein mitweinend
Engelbild zu schauen,
Denn wer vermöchte solchen
Schmerz zu theilen?
Stark ist als zarte Pflanze schon
die Palme;
Um ihre jugendliche Kraft zu
proben,
Ward einst der Marmorstein auf
sie geschoben,
Und alle dachten, daß er sie
zermalme.
Allmählich aber trieb der
Stamm; es hoben
Sich schwellend unter jener
Last die Halme;
Sie wuchs empor zur königlichen
Palme
Und trug den Stein im
Blätterturban oben. –
Dem Baume gleicht ein
gotterfüllt Gemüthe,
Das schon beschwert wird in der
Jugend Blüthe
Mit Weh und zu erliegen scheint
dem Drucke.
Nur stärker wird es durch der
Leiden Bürde,
Sein Glaube fester, höher seine
Würde;
Zuletzt dient ihm des Kreuzes
Last zum Schmucke.
1788 - 1841
Unscheinbar, dunkel steht und
missgestaltet
Die Aloe; mag Licht und Wärme
locken,
In ihr scheint jeder
Lebenstrieb zu stocken,
Und wie zu Stein ihr Blätterschmuck
erkaltet,
Bis sich ihr tiefstes Herz auf
einmal spaltet,
Und erst des Gärtners, dann der
Welt Frohlocken,
Ein Blütenbaum mit tausend
Balsamglocken
Aus ihrem Schoße duftend sich
entfaltet.
Des Menschen Seele gleicht der
Wunderblume;
So lange sie sich selber will
genügen,
Erfindet, sinnt und müht sie
sich vergebens.
Doch kaum lässt sie in Demut
sich besiegen
Vom Licht des Heils, so wird
zum Heiligtume
Ihr Innerstes und trägt den
Baum des Lebens.
1788 – 1841 Regierung Sr. Majestät des Königs
Eh das Jahrhundert schwand, das
nun verflossen,
War Mißtrau’n nur und Willkür
hier zu schauen,
Ein kinderloser Fürst und
Bayerns Auen
Rings von des Krieges Fluthen
übergossen.
Und jetzt! Das Volk nur Jubel
und Vertrauen,
Durch ein Gesetz der Weisheit
fest umschlossen;
Des Ruhmes Lorber’n seh’n wir
neu entsprossen,
Des Friedens Oelbaum milden
Segen thauen;
Ein väterlicher König auf dem
Throne
Und eine Gattin, Mutter diesem
Lande,
Der Frauen Königin, auch ohne
Krone;
Und Söhn’ und Enkel, werth, daß
sie die Seinen,
Und Töchter, die mit holdem
Liebesbande
Die deutschen Völker in ein
Volk vereinen.
1788 - 1841
Die bunten Schwingen
auseinanderschlagend,
Schwebt Poesie zu sternbesä’ten
Räumen;
In alle Höhen sich und Tiefen
wagend
Darf sie im Schooß des ew’gen
Vaters träumen.
Doch unter Menschen, scherzend
oder klagend,
Spielt sie mit stolzen
Rhythmen, zarten Reimen,
Der Morgenröthe gleich, mit
Rosen tagend
Des Erdenlebens Wolken zu
umsäumen.
Und wie Apoll sich zu der Erde
Thalen
Herabließ, seiner Lichtgestalt
entsagend,
Der muntern Heerde sorgenloser
Hüter;
So löscht auch sie oft ihres
Hauptes Strahlen
Und flüchtet, vor dem Blick der
Menge zagend,
Sich in die stillen kindlichen
Gemüther.
1788 – 1841 (ein
altdeutsches Gemälde in der Gallerie zu Schleißheim)
Die Lust des Todes und die Qual
des Lebens;
Hier Händeringen, Augen roth
von Zähren,
Dort Blicke, die des Todes
Nacht verklären;
Verzweiflung hier, dort keine
Spur des Bebens;
Den höchsten Lohn demüth’gen
Hinsichgebens,
Nach langen Leiden ew’ge
Himmelsehren,
Nach Weinenden ein Kranz von
Engelchören,
Von Zeugen triumphierenden
Erhebens;
Die Frucht des Alters und der
Jugend Blüthe,
Glaub’, Hoffnung, Liebe, Alles,
was vergangen,
Die Kraft des Deutschen und des
Welschen Milde;
Das Reinste, Heiligste, was im
Gemüthe
Der frömmsten Maler jemals
aufgegangen:
Das Alles sah ich hier in einem
Bilde!
1788 - 1841
Nicht unsre Lust mehr drücket
die Gestalten,
Die anmuthsvoll auf deinen
Bildern schweben;
Es ist die Luft, in deren
leichtem Weben
Verklärte Geister ihren Reigen
halten.
Und nicht von unserm Licht, dem
trüben, kalten,
Empfingen diese Farben Gluth
und Leben;
Im reinen Licht des Himmels nur
erheben
Sich diese Glieder, wehen diese
Falten.
Und Seligkeit, nicht irdisches
Verlangen
Regt sich in diesem schönen
Busen, strahlet
Aus diesen Augen, blüht auf
diesen Wangen.
Du kamst zu uns aus Paradieses
Auen,
Correggio! denn was du hier
gemalet,
Das konntest du nur in den
Himmeln schauen!
1788 – 1841 (am 12.
Oktober 1808)
Das Grab des Welterlösers zu
zerstören,
Warf Satan einen Brand in die
Kapelle,
Die sich emporwölbt ob der heil’gen
Stelle,
Und flammend sank die Kuppel
mit den Chören.
Wildjauchzend triumphierte
schon die Hölle;
Kein Loblied mehr, dem Ewigen
zu Ehren,
Nur Klagelieder hofft sie hier
zu hören;
Bis an die Gruft schon drang
des Feuers Welle.
Da stiegen aus dem Grab, ernst
und gelassen,
Die zeugend einst auf diesem
Steine saßen,
Die Jünglinge mit leuchtenden
Gewanden,
Und deckten es mit ihren weißen
Schwingen
Und sprachen: Weiter dürfet ihr
nicht dringen,
Unsel’ge Gluthen! Und die Flammen schwanden.
1788 - 1841
Als Pius, nach errungner
Martyrkrone,
Die irdische vertauscht mit ew’ger
Ehre;
Begrüßten freudig ihn des
Himmels Heere
Und führten ihn bekränzt zu
Gottes Throne.
Und als er vor dem Vater stand
und Sohne,
Sprach Gott zu ihm: Du hast
durch That und Lehre
Und Dulden mir gedient; darum
gewähre
Ich jede deiner Bitten dir zum
Lohne.
Und vor des Lichtes Thron’ sank
Pius nieder,
Verhüllt’ sein Antlitz und
erhob es wieder
Und sprach: Willst du, o Heer,
das erste Bitten
Des letzten Deiner Knechte
jetzt erfüllen,
O so vergib dem Mann, durch
dessen Willen
Auf Erden ich so viel für Dich
gelitten!
1788 - 1841
Heil euch, ihr Sänger kühner
Nibelungen!
Wie von Gottfried die
Meeresbucht im Süden;
Rheinufer, töne du von
Siegefrieden!
Solch Lied ist anderm Volke nie
gelungen.
Euch war zum Lohn ein schönes
Loos beschieden.
Ihr saht die Größe noch, die
ihr besungen,
Ein Heldenvolk und Deutschland
unbezwungen,
Da Muth und Andacht wandelten
in Frieden.
Erständet ihr aus euern alten
Särgen,
Ihr fändet andern Sinn und
andre Zungen,
Statt eurer Recken ein
Geschlecht von Zwergen,
Kein Schwert für Gott und Liebe
mehr geschwungen,
Die Burgen weggetilgt von allen
Bergen,
Den Glauben todt und euer Lied
verklungen!
1788 – 1841 (in der
Glyptothek zu München)
Verborgen hielt in ihren
Finsternissen
Die Erde dich vor wüthenden
Vandalen;
Den Händen sey gedankt, die
dich ihr stahlen!
Ihr ist der letzte, liebste
Schatz entrissen.
Nun stehst du wieder in des
Tages Strahlen
Und hörst von tausend Stimmen
dich begrüßen,
Und senkst dein Haupt und
lösest von den Füßen, -
Wer darf sie sonst dir lösen? –
die Sandalen.
Bist du ein Bild des Lebens?
Selber Leben?
Durch diese Glieder scheint das
Bluth zu rinnen,
Die Heldenbrust, leis athmend,
sich zu heben.
Medea’s Gräuel hören wir mit
Beben;
Doch sie beging sie nur, dich
zu gewinnen;
Bei deinem Anblick sind sie ihr
vergeben!
1788 - 1841
Dieß ist Venedig, dieß die
hehre Stätte,
Der Bucht des Meeres mühsam
abgerungen;
Der Dom, aus dessen Kuppeln
Dankgebete
Und Siegeshymnen glorreich
einst erklungen;
Dieß ist der Thurm, von dem,
mit Blut errungen,
Der Türken Mond oft als Trophäe
wehte;
Dies der Palast, wo Padua,
bezwungen,
Verona selbst um leichte Ketten
flehte.
O Stadt! Neptun’s Trident ist
dir entfallen,
Der Lorber schmückt bei dir nur
noch die Todten.
Dein Stab Merkur’s hat
aufgehört zu grünen.
Drei Reiche, denen du eh’dem
geboten,
Bezeichnen stolz die Fahnen,
die dort wallen,
Und fremden Reichen mußt du
jetzo dienen!
1788 – 1841 (Landschaft
von Claude Lorrain in der Gallerie zu München)
Der junge Tag erhebt sich aus
den Wellen;
Zu zart noch, feuchte Nebel zu
durhdringen,
Sucht sich sein erster Strahl
auf blauen Schwingen
Der Meeresfluth zum Ufer
hinzuschwellen,
Wo munter schon des Lebens
Stimmen klingen,
Wo Schiffer froh ihr Tagewerk
bestellen,
Indessen andre, ferne schon,
mit hellen,
Geblähten Segeln hohe See
erringen.
Licht! wie belebt, verklärst du
alle Wesen!
Die Pinie mitihren dunklen
Zweigen
Wird klar und leuchtend, wie
des Meeres Wogen.
Der Marmor selbst an jener
Pforte Bogen,
Deß Säulen ragend in die Lüfte
steigen,
Scheint sich in leisen
Morgenduft zu lösen.
1788 - 1841
Ein Pilger macht sich auf beim
ersten Glühen
Des Tags, zum Sonnentempel zu
gelangen;
Er sieht ihn fern auf hohem
Gipfel prangen
Und hört von dorther leise
Harmonieen.
Er eilt hinaus mit brünstigem
Verlangen;
Da sieht er Volk vor eitlen
Götzen knieen
Und sucht umsonst mit sich es
fortzuziehen;
Für Rath und Warnung muß er
Spott empfangen.
Unmuthig wallt er fort; doch
bald verdrängen
Den Weg ihm Trümmer, Dornen;
zum Genusse
Verborgener Quellen laden süße
Stimmen.
Vom Kampf ermüdet, trunken von
den Klängen
Sieht er den Tempel nicht mehr,
sinkt am Fuße
Des Bergs in Schlummer, statt
empor zu klimmen!
1788 - 1841
Getäuscht durch Liebe, nein!
durch Liebeswähnen,
Entfloh ich Nymphe blumenvollen
Triften;
In dunklen Grotten, wilden
Bergesschlüften
Verschloß ich einsam mich und
meine Thränen.
Doch hin zur Flur und ihren
süßen Düften
Ergreift mich noch ein
unnennbares Sehnen,
So oft mit holden,
wohlbekannten Tönen
Ein Rufen sich verirrt zu
meinen Klüften.
Ich schwebe rasch, mit innigem
Verlangen,
Hinunter dann aus meinem
Felsenhause,
Mit frohem Hall die Worte
wiedergebend;
Bald aber scheucht ein
ungeheures Bangen
Und meiner Qual Erinn’rung,
mich durchbebend,
Zurück mich wieder in die
stille Klause!
1788 – 1841 Den
Übersetzer Jakob Balde’s
Es lebt’ ein Priester einst im
Dichterwalde,
Der in des Glaubenskrieges
wildem Toben
Für Bayerns Heer des Geistes
Schwert erhoben
Und seine Schlachten sang als
frommer Skalde.
Auch klang von Scherz bald und
von Weisheit balde
Sein reines Lied, bald tönt es
wie von oben,
Um Gott und seine Heiligen zu
loben.
Bald David, bald Horaz ist
Jakob Balde.
An Sinnund Geist deutsch,
schienen nur die Töne
Nicht heimisch auf dem
heimathlichen Boden.
Die Sprache Rom’s durchathmet
seine Leier.
Verjüngend leih’st, o Neubig,
du das schöne
Gewand der Muttersprache seinen
Oden,
Und so wird er ein Deutscher
ganz, ein Bayer!